Montag, 11. April 2011

IFK_Tagung: Zwischen Panik und Herzenskälte? http://critpsych.blogspot.com/

wir ahnten bei der Konzeption der Tagung "Zwischen Panik und Herzenskälte – das Stoische von der Antike bis zur Gegenwart" nicht, in welch dramatischer Nähe zur Aktualität wir uns damit befinden würden. "Stoizismus" wurde seit dem 11.3.2011 plötzlich zu einem Begriff, mit dem westliche Beobachter die unfassbare Haltung japanischer Opfer zu kennzeichnen versuchten. Wir können zwar keinen Einblick in die Ressourcen der japanischen Psyche geben, aber wir können zumindest klären, welche Tiefendimensionen und sozialen Funktionen sich in der westlichen Kultur mit dem Begriff des Stoischen verbinden lassen. Stoisches scheint Konjunktur zu haben. Aber Coolness verschafft in Krisen nur einen fragilen Halt. "Kälte" führt zu Verlassenheit.
                    
Vielleicht hilft ein Rückgriff auf Techniken der Lebenskunst der antiken Stoa? Die Tagung verfolgt Wandlungen und Übertragungen stoischer Haltung in der Moderne und fragt, welche Funktionen sie in Handlungsräumen der Gegenwart erfüllen könnten. Die Ideengeschichte des antiken Stoizismus ist gründlich aufgearbeitet, die Geschichte stoischer Haltungen seit den Anfängen der Moderne um 1800 aber noch ungeschrieben. Um ihre Wandlungen zu verstehen, werden auf der Tagung die Denkschulen des Stoischen in Antike und Früher Neuzeit rekonstruiert, um dann stoische Haltungen in der westlichen Kultur vom 18. bis ins 21. Jahrhundert zu untersuchen. Denn gerade die Moderne bildet ein grelles Panorama stoischer Haltungen aus. Das 19. Jahrhundert als historischer Zeitraum der Arbeit, der wissenschaftlichen und technischen Naturbeherrschung erzeugt mit mechanischem Fleiß und der subjektvernichtenden "Objektivität" des distanzierten Naturwissenschafters, Geologen, Ökonomen, Psychiaters und Chirurgen stoisch gleichmütig agierende Berufstypen. Im Gegensatz zum traditionellen Stoizismus, der zum kontemplativen Leben anleiten wollte, wird die stoische Haltung jetzt zu einem Teil des beruflichen Habitus, so dass Friedrich Nietzsche von einer Anästhesie bis zur "Bildsäulenkälte" sprechen konnte. Gerade Psychiater inszenieren sich jetzt als distanzierte Beobachter, die vom Leiden nicht berührt werden. Auch Künstler und Künstlerinnen pflegen nun den Kult des "kalten Blicks", versagen sich Empathie und versprechen "Wahrnehmungsschärfe", indem sie die Moral auf Eis legen. Populäre Genres heutiger Medienkultur – vom Italowestern bis zu Terminator- und Horrorfilmen – aktualisieren eine den Idealen der Stoa ferne Haltung, indem sie extreme Affekte zwischen Panik und Herzenskälte ausreizen. Die Haltung des Stoischen wandelt sich permanent. Also, "Stoizismus", was ist das eigentlich?     
             
Wir freuen uns, Sie bei dieser Gelegenheit am IFK zu begrüßen!     
Mit besten Grüßen      
Ihr IFK_Team       
              
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TAGUNG
ZWISCHEN PANIK UND HERZENSKÄLTE? DAS STOISCHE VON DER ANTIKE BIS ZUR GEGENWART        
IFK (freier Eintritt)                    
14.-15.4.2011                                  
14.05.               
14.00-18.00 Uhr                   
15.04.           
9.30-18.00 Uhr                           
                               
KONZEPTION: Justus Fetscher (Seminar für Deutsche Philologie, Universität Mannheim), Helmut Lethen (IFK, Wien)        
                    
TEILNEHMERINNEN: Gesa Frömming (Department of Germanic & Slavic Languages, Vanderbilt University), Marcus Hahn (Fachbereich 3 – Medienwissenschaften, Universität Siegen), Barbara Neymeyr (Deutsches Seminar–Neuere Deutsche Literatur, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg), Klaus Mönig (Deutsches Seminar–Neuere Deutsche Literatur, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg), Katrin Solhdju (Sprach-, Literatur- und Medienwissenschaften, Universität Siegen), Martin Treml (Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin), Christopher Wild (Department of Germanic Studies, University of Chicago), Yvonne Wübben (Germanistisches Institut, Ruhr-Universität Bochum), Cornelia Zumbusch (dzt. Fachbereich Literaturwissenschaft, Universität Konstanz)           
                                    
Mit freundlicher Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien - Wissenschafts- und Forschungsförderung - MA 7.         
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 IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften
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