Samstag, 27. Februar 2010

Vortrag: Kritik – wie geht das? 04.03.2010 19:00 HS 1

Kritik – wie geht das?

Referent: Dr. Peter Decker (GegenStandpunkt)

04.03.2010 um 19:00 im HS 1 Neues Institutsgebäude  NIG) Universitätsstrasse 7, 1010 Wien

Kritik ist in der Demokratie nicht verboten. Sie wird auch nicht gefürchtet. Sie ist kein Privileg. Jeder kritisiert und beschwert sich.

Rundfunk und Fernsehen, Zeitungen, die freie Wissenschaft und die konkurrierenden Parteien machen es sich und ihrem Publikum geradezu zur Pflicht, kritisch zu sein. Man stört sich nicht daran, dass eine solche Pflicht Kritik zu einer Haltung erklärt, die immer und überall angebracht und berechtigt ist – als ob es nicht ein wenig davon abhinge, was einer vor sich hat, wenn er Einwände vorbringt. „Kritisch" zu sein, das wird zu einer subjektiven Einstellung relativiert, die man sich zulegt oder auch nicht, zu einer Art Voreingenommenheit, die sich gar nicht mehr aus der Kritikwürdigkeit des Gegenstands begründet, auf den sich der kritische Geist richtet.

Andererseits ist mit der Allgegenwart kritischer Einstellungen die begründete Ablehnung einer Sache – jenes theoretische Handwerk, das den Namen „Kritik" verdient – bemerkenswerter weise eher selten anzutreffen. An ihre Stelle tritt der Brauch, Gott und die Welt mit Verbesserungsvorschlägen zu überschütten. Rechte, linke und ganz normale Bürger üben sich in der Disziplin der konstruktiven Kritik, ganz als ob es logisch und zwingend wäre, dass aus Einwänden niemals die Ablehnung des Kritisierten, sondern stets dessen Vervollkommnung zu folgen hat. An allem, woran kritisch denkende Zeitgenossen Anstoß nehmen, wollen sie hilfreich mitwirken – wirklich an allem!

Da wird die Unfähigkeit von Sozialpolitikern kritisiert, die Lage der Armen zu verbessern, auch wenn die das   gar nicht versuchen. Professoren, Studenten, Journalisten, Gewerkschafter, Oppositionelle beteiligen sich konstruktiv in kritischer Solidarität an den „Problemen" der Universität, des Staatshaushalts, der Finanzkrisenbewältigung und des Krieges in Afghanistan usw. usf. Höchstens dort, wo es nichts zu kritisieren gibt, nämlich beim Wetter, wird Kritik kompromisslos: „Für die Jahreszeit zu kühl!"

Solche Kritik führt einerseits nicht dazu, dass die Gründe und Ursachen des Kritikablen nach und nach beseitigt werden, dass also die Verhältnisse in eine Richtung verändert würden, die alsbald die andauernde Kritik überflüssig machen würde. Andererseits richtet sie sich auch nicht gegen Staat und Gesellschaft, die den Einwohner allein auf diese (verfassungskonforme) Art des Kritisierens festlegen und einschwören.

Das liegt nicht an Kritik überhaupt, sondern an einer absurden demokratischen Kritik-Kultur. Die Bürger kritisieren, was das Zeug hält – aber auf recht eigentümliche Art und Weise: Sie üben sie so, wie sie  ich hier gehört – aber nehmen allzuoft vor lauter konstruktiv ihren eigenen gedanklichen Ausgangspunkt überhaupt nicht mehr ernst. Der Vortrag will darlegen, wie und warum Kritik regelmäßig entgleist und immer wieder bei der Bekräftigung des Kritisierten landet.

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