Sozialpsychologie des Kapitalismus heute – Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie
Zur Aktualität Peter Brückners
1. – 4. März 2012 in Berlin
„Arbeitskraftunternehmer“ unter hohem Flexibilitäts- und Anpassungsdruck einerseits, Arbeitslose und prekär Beschäftigte ohne Qualifikationsperspektive andererseits, Ökonomisierung aller Gesellschaftsbereiche, Bildung und Gesundheitswesen eingeschlossen, Öffentliche Armut und hochgradige Verschuldung gegenüber z. T. extremem privatem Reichtum kennzeichnen die kapitalistische Krisendynamik der Gegenwart.
Diese innergesellschaftliche Ungleichentwicklung und mehr noch die innereuropäische und globale Dynamik von Akkumulation und Verarmung produzieren Spannungen, die durch Politik und Medien in der Perspektive von Krise und Instabilität gehalten und in rechtspopulistische und rassistische Einstellungen gelenkt werden. Außenpolitisch wird damit militärische Intervention als „ultima ratio“ darstellbar.
Die Medien spielen dabei die Rolle der Diskurs- und Meinungslenker, Hersteller von Konsens (Chomsky). Sie besetzen den öffentlichen Raum, „beherrschen überall die öffentliche Kundgebung“. Dank ihrer Vermittlung werden „die Diskurse der politischen Klasse, der massenmedialen Kultur, und der akademischen Kultur miteinander verschmolzen in dem einen Punkt der größten Kraft, um die politisch-ökonomische Hegemonie und den Imperialismus zu sichern“ (Derrida 1993, S. 90 f.).
Dieser Diskurs operiert nach dem Prinzip des „Versteckens durch Zeigen“ (Bourdieu). Versteckt wird alles, was diese Hegemonie gefährden könnte, letztlich das Subjekt (der Macht), indem an seiner Stelle das einzelne Individuum vorgeführt wird. Es handelt es sich um „Psychologisierung“ der gesellschaftlichen Verhältnisse und Kämpfe. Zusätzlich verschleiert und damit verstärkt wird diese durch die Entgrenzung des Angebots von ineinander übergehender Information, Unterhaltung und Werbung, die sich zugleich ständig selbst dementiert, durch das Angebot interaktiver elektronischer Medien, die Erfahrungen und Reaktionen dort zu kommunizieren, wodurch zugleich die kommerziell interessierte und staatliche Überwachung und Beobachtung auf breiter Ebene möglich gemacht wird, ohne deren aktive Verleugnung die Individuen in ihrem Alltag kaum funktionsfähig wären.
Die Rolle der Psychologie in dieser Herstellung von Konsens, von Zustimmung zur Politik der Mächtigen ist unübersehbar. Sie begleitet in ihren Spielarten die Gleichzeitigkeit der Aufblähung und Entwertung von Subjektivität. Wir dürfen sie deshalb auch nicht bei der Analyse der gegenwärtigen Situation vergessen.
In diesem Horizont wollen wir den Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie vom 1. bis 4. März nächsten Jahres dazu nutzen, den Faden des Denkens eines Psychologen wieder aufzugreifen, der vor mehr als einer Generation darum bemüht war, worum es uns auch heute geht: den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang von Ökonomie, Politik, Kultur, Soziales und Psyche zu denken: Peter Brückner (1922-1982).
Peter Brückner, dessen Todestag sich 2012 zum dreißigsten Mal jährt, steht für:
- Reflexives Durchdringen von Herrschaftsstrukturen und gesellschaftlichen
- Konfliktlagen unter einer auf Emanzipation gerichteten Perspektive
- das Insistieren auf der sozialen Frage und der Realität sozialer Klassen
- die Verbindung von Psychologie und Gesellschaftskritik, von Psychoanalyse und Marxismus
- das politische Mandat der Wissenschaft und die politische Verantwortung der Wissenschaftler
- eingreifendes Handeln aus dieser Verantwortung – aus dem Wissen und der Überzeugung, dass Geschichte von Menschen gemacht und damit veränderbar ist.
Die Neue Gesellschaft für Psychologie stellt sich mit ihrem Kongress 2012 die Aufgabe, das gesellschaftliche Gewaltverhältnis auch hinsichtlich seiner inhärenten Widersprüche und deren subversiven Potentials einer Analyse zu unterziehen, um die Voraussetzungen für die Wiederaneignung von enteigneten Lebensbedingungen zu schaffen. Damit wollen wir zugleich auch Peter Brückners Vermächtnis für die heutige Generation weiterdenken und nach den Möglichkeiten eingreifender Kritik fragen.
Wir laden dazu ein, entsprechende Themenvorschläge für Beiträge einzureichen (Titel und kurze Zusammenfassung, etwa 300 Wörter) bis 1. 10. 2011 (deadline) an: abstracts@kongress2012.ngfp.de
Wir wünschen uns Beiträge, die das Werk und die Haltung Peter Brückners der Vergessenheit entreißen, indem sie seine Gedanken und sein politisches Handeln darstellen, rekonstruieren, diskutieren, weiterführen.
Wir wünschen uns Beiträge zu aktuellen gesellschaftlichen Konflikt- und Problemlagen aus Psychologie und Gesellschaftswissenschaften, beispielsweise zu den Bereichen/Themen
- Hochschul- und Wissenschaftsentwicklung, innerpsychologische Kontroversen
- Gesundheitswesen und Psychotherapie
- Armutsentwicklung, Segregation und Migration
- Medien, Macht und Subjektivität
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