ARBEITSBEREICH SUBJEKTWISSENSCHAFT UND KRITISCHE PSYCHOLOGIE FU BERLIN
in Zusammenarbeit mit der
GESELLSCHAFT FÜR SUBJEKTWISSENSCHAFTLICHE FORSCHUNG UND PRAXISVortrags- und Diskussionsveranstaltung
mit
Dipl.-Psych. Michael Zander
„Den Widerstand proben. Wie emanzipatorisch ist das Milgram-Experiment?“
Samstag, 01. Oktober 2011, 19.00 Uhr
Helle Panke, Kopenhagener Str. 76, 10437 Berlin (Prenzlauer Berg)Samstag, 01.
Das erstmals vor 50 Jahren durchgeführte „Milgram-Experiment“ zum Autoritätsgehorsam ist mittlerweile nicht nur zum „Klassiker“ avanciert, es gehört auch zu den wenigen Untersuchungen der akademischen Psychologie, die über Fachkreise hinaus berühmt geworden sind.
Dies dürfte zum einen daran liegen, dass es thematisch interessant ist: Milgram knüpfte kritisch an die Arbeiten seines Doktorvaters Solomon Asch an und beanspruchte, damit einen Beitrag zur Erklärung des Faschismus sowie des Verhaltens von US-Soldaten in Vietnam zu leisten. Zum anderen handelt es sich um ein höchst ungewöhnliches Experiment, das sich methodisch nicht ohne Weiteres in den psychologischen Mainstream einordnen lässt: So enthält es keine Prüfung einer allgemeinen Hypothese, vielmehr werden die Versuchsbedingungen probierend variiert; Milgrams Theorie des Gehorsams erklärt die Ergebnisse nachträglich, und die Versuchspersonen werden an der Interpretation ihres Verhaltens beteiligt, wenngleich der Versuchsleiter das letzte Wort behält. Kritikerinnen und Kritiker der Psychologie stehen dem Experiment zwiespältig gegenüber. Einerseits werden die Vpn einer sie z.T. erschütternden Manipulation unterworfen, andererseits berichten viele von ihnen von einer lehrreichen Erfahrung. Das Experiment berührt ein Kernthema der Kritischen Psychologie, nämlich die Alternative von Anpassung oder Widerstand in der Konfrontation mit Herrschaft.
Markard (2009) gelangt in seiner Diskussion des Milgram-Experiments und anderer Untersuchungen zu dem Schluss: „Der entscheidende Punkt ist der, dass derartige Befunde dazu beitragen können, dass diejenigen, die sie kennen, dieses Wissen nutzen können, wenn sie in eine vergleichbare Situation geraten.“ (S. 52) Und auch Holzkamp (1983, 572) deutet an, „widerständige“ Bedingungen im Kampf um Verfügungserweiterung ließen sich möglicherweise experimentell untersuchen. Enthält das Milgram-Experiment möglicherweise Elemente, die in kritisch-psychologische Forschung eingehen könnten?
Michael Zander ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Gerontologische Forschung e.V., Mitglied des Graduiertenkollegs „Multimorbidität im Alter“ an der Berliner Charité und Doktorand der Psychologie an der FU Berlin.
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