Sexuologie
Zeitschrift für Sexualmedizin, Sexualtherapie und
Sexualwissenschaft
Call for Articles
Utopien des Sexuellen
– Nach 68 | Was bleibt? | Was kommt?
Die Chiffre „68“ markiert rückblickend für die damaligen westlichen
Gesellschaften eine paradoxe Konstellation: Sie steht für den Anfang einer Gegenwart
mit konsumgetriebenem Hedonismus, der Verheißung ewiger Jugend, verbunden mit
dem Glauben an Kreativität und die Veränderbarkeit der Gesellschaft durch die
Veränderung des eigenen Lebens. Vor allem aber steht „68“ für eine sexuelle
Revolution, die das rauschhaft Utopische des Sexuellen mit der Utopie einer
befreiten Gesellschaft verknüpfte. Aber: 1968 wurde auch der Club of Rome gegründet, dessen Szenario von
den Grenzen des Wachstums seitdem wie
ein Menetekel über der Weltgesellschaft hängt.
Was kann es also bedeuten, Utopien des Sexuellen erneut
aufzurufen? Die Erwartungen an eine rauschhaft befreiende Sexualität als
Ausgang gesellschaftlicher Veränderung sind verflogen. Doch der Freiraum für Sexualität
ist größer geworden, auch wenn dieser von Markt und Neoliberalismus überformt wird,
paradoxerweise im Verbund mit jener „kalifornischen Ideologie“, die in
technologischer Gestalt die 68er-Erbschaft anzutreten vermeint.
Stellt sich die heutige Situation somit als eine völlig
andere dar? Oder war „68“ lediglich das Epiphänomen eines petromodernen way of life, der an sein Ende kommt? Wie
wäre dann über die neuen Formen sexueller Wirklichkeit nachzudenken, die in
Relation zu den neuen disruptiven Technologien entstehen?
Entlang der These, dass sich gesellschaftliche Entwicklungen
im Sexuellen wie in einem Brennglas fokussieren, sollen das zweite Heft der
Sexuolgie 2019 und eventuell das nachfolgende erste Heft 2020 der Frage nachgehen,
ob und, wenn ja, wie ein utopisch/dystopisches Sexuelles im gegenwärtigen
Horizont zu denken wäre. Es soll darum gehen, zu erkunden, in welcher Form dem
Sexuellen noch ein Begehren innewohnt, das notwendig wäre, um die Verhältnisse
(erneut) aufzusprengen – oder aber, ob das Sexuelle an eine (bio)technologisch
transformierende Entwicklung angeschlossen ist, deren Dimensionen sich gegenwärtig
nur utopisch/dystopisch erahnen lassen.
Im Einzelnen werden
Beiträge zu den nachfolgenden Themen erbeten. Die Beiträge können neben
sexualmedizinischen und sexualwissenschaftlichen Ansätzen auch historisierenden,
ebenso wie philosophischen, soziologischen, literatur- und kulturwissenschaftlichen
oder psychologischen und psychoanalytischen folgen. Darüber hinaus sind jedoch
auch eigene Vorschläge willkommen:
-
Kinderwunsch und Designerbaby oder die Utopien
und Dystopien der Reproduktionsmedizin
-
Leben erschaffen oder die Verheißungen einer
synthetischen Biologie
-
Die Evolution der technischen Mittel –
Genbaukasten, Roboter-Ersatzteile, Stammzellen
-
Schöner neuer Mensch – das Versprechen der
Schönheitsmedizin
-
Jeder Mensch ist anders – die Zukunft der
personalisierten Medizin
-
Neue/alte
Formen von Beziehung und Intimität oder Chancen und Risiken des Online-Dating
und der damit verbundenen Entwicklungen
-
Das Sexuelle im Uncanny Valley der
technologischen Utopien von Trans- und Posthumanismus
-
Der digisexuelle Mensch – sexuelle Erfahrungen
ohne menschlichen Partner
-
Umkämpfte/fluide Geschlechterrollen, -bilder
und Geschlechtsidentitäten
-
Vom Sexuellen zum Sex der Selbstoptimierung
-
Vom „Summer of Love“ zum Winter der
„Pornographisierung“
-
Libidinöse Verhaftungen und Objektbesetzungen
als alt-neue Herausforderung der Sexualtherapie und darüber hinaus
-
Sexuelles Begehren – Gegenstand
therapeutischen Agierens oder Ressource gesellschaftlicher Veränderung?
Die Beiträge können als Aufsatz, Essay und Analyse wie
auch als Relektüre exemplarischer Texte und Bücher eingereicht werden, sie
sollten jedoch wissenschaftlichen Anforderungen genügen und entsprechend der
Autorenhinweise der Sexuologie verfasst werden (http://www.sexuologie-info.de).
Der Umfang kann ca. 40.000 Zeichen (einschließlich Leerzeichen und
Literaturverzeichnis) betragen.
Interessierte Autorinnen und Autoren werden gebeten,
einen Themenvorschlag mit Arbeitstitel und Abstract bis zum 15. Juni 2019 per
eMail an die Redaktion der Sexuologie (sexuologie@dgsmtw.de) einzureichen. Die
Redaktion entscheidet dann bis Ende Juni über die Annahme der Vorschläge. Der
Termin, um die Beiträge einzureichen, ist spätestens der 30. September 2019.
Das erste Heft wird Ende des vierten Quartals 2019 erscheinen, das zweite
Anfang 2020. Bei Nachfragen wenden Sie sich bitte an: Rainer Alisch, sexuologie@dgsmtw.de.
Wir freuen uns auf Ihre Angebote und Beiträge.
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